1.050 Kühe stehen am Betriebsstandort Komárom des Sano Agrar Instituts in Ungarn. Das tägliche Fluten der Laufgänge ist nur eine von vielen Besonderheiten.
Eine Pumpe dröhnt, es gurgelt. Dann sprudelt eine schäumende Wasserwelle aus dem Schacht. Das Wasser flutet den Laufgang, umspült die Klauen der fressenden Kühe am Futtertisch, reißt Kot und Harn mit sich und strömt schließlich dem Gefälle des Stalles folgend am Ende des Laufgangs in einen Schacht.
Sechs Mal am Tag werden die Laufgänge auf dem Betriebsstandort Komárom des Sano Agrarinstituts geflutet. Pro Tag sind das im Betrieb 2.000 Kubikmeter Spülflüssigkeit, die am Ende des Stalls abfließen und in einer großen Lagune gesammelt und recycelt werden. Das „Flushing-System“ sorgt anstelle eines Mistschiebers für besonders saubere Laufgänge. Das Wasser dafür stammt aus der Donau und wird auch für die Beregnung der Ackerflächen genutzt. Insgesamt sind 1.300 Hektar des Betriebes unter Bewässerung. Dies sichert die Erträge in der trockenen und heißen Region.
Alles begann in den 60er Jahren, als die ersten Kühe hier gemolken wurden – damals gab es in Ungarn fast ausschließlich eine rotbunte Kuhrasse, die dem heutigen Fleckvieh ähnelt. 1972 kam unter sowjetischem Einfluss die erste Holsteinkuh nach Ungarn. Geprägt von der sowjetischen Agrarpolitik gründeten sich in Ungarn – wie auch in anderen Ostblock-Staaten – große Agrargenossenschaften. Zur Steigerung der Produktivität begann man auf dem Betrieb in den 80ern Holsteins einzukreuzen. Heute ist die gesamte Herde schwarzbunt.
Die Kühe standen zuerst in Anbindehaltung, später in Tiefstreuställen, die bis vor kurzem noch genutzt wurden. 2013 begannen dann die kontinuierlichen Neubauten und der Kuhbestand wurde aus eigener Nachzucht von 530 Kühen auf heute 1050 Tiere aufgestockt. Die alten Ställe sind mittlerweile abgerissen und an ihren Stellen moderne, komfortable Kuhställe errichtet mit Tiefboxen, breiten Laufgängen, Ventilatoren und hohen Decken. Zur Klimatisierung des Stalls wurden ebenfalls Wasservernebelungs- bzw. Berieselungsanlagen über den Fressgängen installiert. Als letztes wurde der Färsenstall fertig gestellt. Im Bau befindet sich gerade ein Transitstall.
Die Kühe in Komárom beeindrucken mit einer Leistung von 14.969 kg abgeschlossener 305-Tage-Leistung. Damit steht hier eine der leistungsstärksten Herden des Landes.
Der Erfolg liegt vor allem in einem guten Management, motivierten Mitarbeitern und Kontinuität in der Arbeit sowie gesunden Kühen, berichtet der Betriebsleiter.
Zuletzt konnte die Leistung nochmals deutlich gesteigert werden. Ein Faktor dafür ist unter anderem ein verbessertes Silomanagement, welches vor allem durch die Firma Sano angestoßen wurde, die seit 2020 Inhaber des Betriebes ist. Sie sahen noch Potenzial in der Grundfutterqualität. Dazu wurden beispielsweise die Reifen für die Abdeckung durch Sandsäcke ersetzt und statt einer einzelnen Silofolie auf eine Unterziehfolie, Hauptfolie und Netz umgestiegen. Zusätzlich wurden die Walzkapazitäten massiv erweitert sowie die Anforderungen an die Häckselqualität neu definiert.
Ausgeklügelte Ration
Die melkende Herde bekommt eine Ration, die zum großen Teil aus Maissilage und einem hohen Anteil an Kraftfutter besteht. So ist sie zusammengesetzt (kg/Tag ausgelegt für rund 26 kg TS Futteraufnahme und 44 kg Milchleistung:
9,5 kg Maissilage
2 kg Roggensilage
0,4 kg Stroh
0,2 kg Glycerin (für die Schmackhaftigkeit)
13,7 kg Kraftfutter bestehend aus u.a. Mais, Weizen, Sojaschrot, Rapsschrot, Sojaschalen, geschützten Fetten sowie Mineralfutter
Die Ration besteht zu großen Teilen aus Maissilage und Kraftfutter.
(Bildquelle: Thiemann)
Die Trockensteher werden zweiphasig gefüttert. Die Close-Up-Tiere erhalten eine Ration aus Maissilage (6,5 kg), Stroh (3,7 kg) und Vormischung (4,5 kg inkl. Mineralisierung).
Mischfehler bei den Rationen können sie auf dem Betrieb so gut es geht vermeiden, da die fertigen Konzentratmischungen in Hochsilos gelagert werden. So hat es der Mischwagenfahrer maximal einfach. Gefüttert wird zweimal täglich. Morgens um vier Uhr werden täglich die Restfuttermengen gemessen. Der Betrieb fährt auf 0 % Restfutter.
Nicht nur die Kühe leben komfortabel – auch die Kälber sind bestens versorgt. Die ersten zwei Lebenstage verbringen die neugeborenen Kälber in einer Erstversorgungsbox unter genauer Beobachtung, um die Kolostrumaufnahme zu gewährleisten. Dann geht es in Kälberiglus bevor die Kleinen ab dem 10. Lebenstag in Gruppen von 15-20 Tieren in einem modernen Kälberstall mit Tränkeautomaten wechseln. Auch hier werden die Laufgänge bereits geflutet.
Gefüttert wird eine Tränkemenge von maximal 12 Litern am Tag in der sechsten Lebenswoche. Danach werden die Kälber allmählich bis zur 12. Lebenswoche abgetränkt. Mit dieser intensiven aber restriktiven Tränke liegen die Tageszunahmen bei knapp 1.000 g bis zum Ende der Tränkephase.
Welches Zuchtziel wird angestrebt und welche Bullen derzeit eingesetzt?
Die Milchleistung steht an oberster Stelle. Ansonsten spielen Kriterien wie genetisch hornlose Vererber, Fundament und Gesundheitsmerkmale eine Rolle. Es werden sowohl genomisch als auch töchtergeprüfte Bullen eingesetzt. Im Spermapott auf dem Betrieb befinden sich immer eine Auswahl an 5-6 Bullen. Aktuell sind das: Bench (RinderAllianz GmbH), Mo Red PP (RinderAllianz GmbH), Arizona (RUW), Nezumi (Intermizzo), Smilodon (Intermizzo) Funfact: In keinem der besuchten Betriebe in Ungarn werden Kühe mit Fleischrassen besamt. Beef on Dairy ist noch nicht verbreitet. Die Betriebe möchten sich aber zukünftig daran wagen.
Wie wirkt sich das Flushing auf die Klauengesundheit aus?
Laut Aussagen der Herdenmanager haben sie kein Mortellaro auf dem Betrieb. Häufiger sind Weiße-Linie-Defekte – die stehen aber in keinem Zusammenhang mit dem Fluten, sondern treten aufgrund der mechanischem Belastung der Klauen auf.
Hat das Flushing negative Auswirkungen auf die Eutergesundheit (aufspritzendes Wasser)?
In Ungarn ist es so, dass die Zellzahlen vergleichsweise hoch liegen. Bis 400.000 Zellen/ml nehmen die Molkereien die Milch ohne Abzüge mit. Daher fehlt den Betrieben der finanzielle Anreiz die Zellzahlen zu senken. In Komárom liegen die Zellzahlen bei 250.000 Zellen/ml. Damit ist der Betrieb im landesweiten Vergleich sogar relativ niedrig.
Nach Aussagen der Herdenmanager wirkt sich das Flushing nicht negativ auf die Zellzahlen oder das Eutergesundheitsgeschehen aus. Die Kühe bekommen alle seit 2 Jahren eine Startvac-Impfung. Vorher hatten sie auch öfter mit schweren Mastitiden zu kämpfen.
Wie alt werden die Kühe im Schnitt bis sie die Herde verlassen?
Die Remontierungsrate liegt (bewusst) bei 35-40 %.
Wie funktioniert die Brunstbeobachtung?
Mittels TailPaint. Bei Kühen, die bis zum 50. Tag in Milch keine Brunst gezeigt haben, setzen sie auf Hormonprogramme (G7G). Bei Färsen setzen sie ausschließlich auf natürliche Brunsten – das sollten schließlich die fruchtbarsten Tiere im der Herde sein. Das Erstkalbealter liegt bei 24 bis 25 Monaten. Die Herdenmanager sind überzeugt davon, die Jungrinder frühestens mit 13 Monaten zu besamen, da sie großrahmige Kühe möchten.
Im ungarischen Kocs prallen zwei Welten aufeinander: 520 Kühe stehen in einem modernen Roboterstall, die andere Hälfte der Herde in alten Tiefstreuställen.
Familie Dorcsinecz hat 2022 in Ungarn einen Stall für 688 Kühe mit besonderer Belüftung (cross-ventilated) gebaut. Vor kurzem ist die Herde eingezogen. Was hat sich seitdem verändert?
*Die ungarischen Betriebe wurden gemeinsam mit der Firma Sano - Moderne Tierernährung GmbH besucht